Demokratie vs. Rechtsstaatlichkeit: Das katalansche Unabhängigkeitsreferendum am 01.10.2017

Mittlerweile sieht man fast nur noch die Estelada auf den Demos

Normalerweise halte ich die Politik ja eher aus diesem Blog raus. Aber da das B:F-B von Barcelona handelt, kann ich das Referendum nicht einfach ignorieren! Am 01.10.2017 ist es endlich soweit und das lange angekündigte Unabhängigkeitsreferendum der Katalanen soll stattfinden. Es hatte ja bereits vor einiger Zeit ein „Probe-Referendum“ (am 09.11.2014) gegeben, bei dem sich die Mehrheit der Befragten für eine Unabhängigkeit Kataloniens ausgesprochen hat. Dieses Referendum vor drei Jahren wird von den inpependistischen Parteien im katalanischen Regionalparlament nach wie vor als Wählerauftrag verstanden.

Die Position der spanischen Zentralregierung darauf war und ist es auch dieses Mal wieder, daß die Einheit Spaniens in der Verfassung festgeschrieben ist und alle Bestrebungen, die dagegen vertsoßen stellen damit einen Bruch des Rechts dar.

Beschämend: No tenim por – das war eigentlich der Slogan nach dem Anschlag auf die Ramblas.

Und Schluss – weiter gäbe es dazu nichts zu sagen. Was man von der Vogel-Strauss-Politik der Regierungs-Partei (Partido Popular) jetzt hält, dass die jährlichen Millionen-Beteiligungen an den Diada-Demos in Barcelona einfach als „illegal – reden wir nicht drüber“ abgetan und in der konservativen Presse regelmäßig einfach auf „ca. 300.000“ runtergerechnet wurden, mag jeder selber entscheiden.
Das was gesagt wurde – so wie z.B. die wenig hilfreichen Einlassungen des spanischen Kultusministers José Ignacio Wert (ja, das ist wirklich sein Name), der den Katalanen allen Ernstes ankündigte er werde ihre Kinder „españolisieren“ (hat er wirklich so gesagt!) und das Katalanisch auf den katalanischen Schulen zurückdrängen. Naja – mittlerweile ist er auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet, auf den er eigentlich schon seit dem Ende der Franco-Zeit gehört hätte.

Jedenfalls hatten die Katalanen dazu auch etwas zu sagen – im Regionalparlament haben die Separatisten eine absolute Mehrheit und bereiten seit einem Jahr das Ausscheiden Kataloniens aus Spanien vor. Und meine eigene Beobachtung ist die, das z.B. die alte katalanische Fahne (gelb mit vier roten Streifen), die vor zehn Jahren noch die Regel auf den Diada-Demos war, inzwischen eher ein Exot ist. Inzwischen schaut man nur noch auf ein Meer von Esteladas (die Separatisten-Fahne).

Den meisten geht es um ihr Recht auf freie Meinungsäußerung

Aber abgesehen vom wachsenden Momentum der Unabhängigkeitsbewegung, ist das größte Anliegen der Katalanen ihr Recht sich äußern zu dürfen: Knapp 50% der Katalanen sind nach derzeitigen Umfragen für die Unabhängigkeit, aber 70% der Katalanen wollen wählen können! Und das ist das demokratischste aller Anliegen, das man sich nur vorstellen kann.

Die Militärpolizei ankert vor der Stadt

In Madrid sah und sieht man das anders: Nicht nur wurde das Referendum für illegal erklärt, auch Teile des Autonomie-Statuts von Katalonien wurden für ungültig erklärt – d.h. man ist den Katalanen nicht nur nicht entgegen gekommen oder hat wenigstens mit ihnen geredet, man hat ihre Rechte als Reaktion auf ihr Begehren sogar noch beschnitten.

Kein Wunder also, dass jetzt bei dem Referendum am 01.10.2017 die Separatisten eine echte Chance haben zu gewinnen.

Madrid weiss das – und tut alles damit das katalanische Volk sich am Besten erst gar nicht äußert. Dazu ist aus ganz Spanien Militärpolizeit in Barcelona zusammengezogen worden – so viele Einheiten, dass man für ihre Unterbringung Kreuzfahrtschiffe gechartert hat, die z.Zt. vor Barcelona ankern. Die Militärpolizeit dient natürlich nicht nur dazu die Bevölkerung zu ..kontrollieren.., sondern vor Allen, um die lokale Polizei (die Guardia Urbana und die Mossos d’Esquadra) in Schach zu halten.

Selbstgedruckte Plakate

Die Zentralregierung hat die Durchsuchung der Büros der Regionalregierung angeordnet. In Verlagen und Druckereien finden Razzien statt um die Urnen, Wahlzettel und Plakate für das Referendum zu finden und die Bevölkerung einzuschüchtern. Politiker und Wahlhelfer werden mit juristischen Schritten bedroht.

Ich finde es zutiefst beschämend, dass es in unserem ach-so-demokratischen Europa möglich ist, unsere Werte derart mit Füßen zutreten und zu verbiegen ohne dass auch nur eine Regierung oder die EU auch nur ein Wort darüber verlieren!

Sich zu äußern und wählen zu dürfen ist der Kern der Demokratie! Einer der wenigen gemeinsamen Nenner der EU-Staaten. Diejenigen die sich dem entgegenstellen, sind in meinen Augen keine Demokraten! Und diejenigen die dazu schweigen, Feiglinge.

Übrigens: Die Katalanen wissen sich ja zu helfen, und zumindest für die Plakate braucht man ja heutzutage keine Druckerei mehr – nur eine Vorlage (hier eine englische und eine katalanische Variante der Wahlplakate – hier der Download-Link) und einen Drucker zu Hause.

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3 Gedanken zu “Demokratie vs. Rechtsstaatlichkeit: Das katalansche Unabhängigkeitsreferendum am 01.10.2017

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